Kaum jemand konnte sich etwas Genaues unter einer Lesung vorstellen. Ausgestattet mit Informationen aus dem Internet und vorbereitet im Unterricht machten sich die Klassen 8-10 mit 6 Erwachsenen am Dienstag, den 17.10.23 auf den Weg in die „Goldnen Sonne“.
Vorgestellt werden sollte eine Graphic Novel, eine Art Comic, mit brisantem Inhalt – es ging um Gewalt vor allem von Rechtsradikalen gegen einen 13-jährigen Mitschüler in den 80er Jahren in Dortmund.
80er Jahre – lange her; rechtsradikale Gewalt – an unserer Schule eigentlich kein Thema.
Was haben wir da zu suchen, mag sich der eine oder andere gefragt haben.
Dass der Schüler, dem diese Erlebnisse widerfahren waren, der Autor selbst ist, war dem einen oder dem anderen bis dahin nicht so klar.
Nils Oskamp schilderte eindrucksvoll seine Erlebnisse, die mehr als 30 Jahre zurückliegen. Die Bilder seines Comics wurden auf einer großen Leinwand gezeigt. Auch im Nachhinein konnte es einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen, wenn man quasi miterlebte, wie der Schüler Oskamp verprügelt wurde, weil er seine Meinung frei äußerte und sich auch durch Drohungen und Gewalt nicht davon abhalten ließ.
Einer seiner Mitschüler leugnete nach einer Geschichtsstunde den Holocaust und lobte Hitler vor der ganzen Klasse.
Das konnte Nils Oskamp so nicht stehen lassen. Eine unglaubliche Welle der Gewalt brach los, er selbst wurde mehrfach bewusstlos geschlagen. Selbst vor einem Mordanschlag schreckten die Täter nicht zurück.
Er wehrte sich – mit allen Mitteln, doch nur ein Freund stand ihm bei, weder Lehrer noch Eltern halfen ihm, auch die Justiz ließ ihn im Stich. Erst als er nach einem Mordanschlag im Krankenhaus lag, glaubte man ihm.
Wie viel Kraft musste dieser Mann aufbringen, um solche Erlebnisse zu verarbeiten? Aber er stand vor uns – berichtete über seine Erlebnisse, hinterfragte die Strukturen der Szene, wie sie bis heute – nicht nur in Dortmund – bestehen.
Er belegte seine Darstellungen mit Fakten, erklärte plausibel und verständlich. Zusammenhänge bis hin zu aktuellen Ereignissen in der Welt waren gut recherchiert und erklärt.
Aber warum 3 Steine?
Das erklärte er mit einer Begegnung auf einem jüdischen Friedhof. Dorthin zog es ihn, wenn er Ruhe suchte, und er war beeindruckt von der Tradition, dass man einen Stein auf einen jüdischen Grabstein legt, wenn man dort ist, so wie wir Blumen auf unsere Friedhöfe legen. Auf einem Grabstein lagen drei Steine, obwohl es keine Nachkommen mehr geben konnte. ….
Eines Tages wurde dieser Friedhof verwüstet und mit rechtsradikalen Symbolen beschmiert. Die 3 Steine waren umgefallen… er hob sie auf… um den letzten Stein nach vielen Jahren in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem niederzulegen.
Eine Lebensgeschichte wurde erzählt… an der Stille im Saal konnte man spüren, dass es an manchen Stellen beeindruckte und nachdenklich stimmte, obwohl es auch Szenen gab, in denen man herzhaft lachen konnte.
„Jeder junge Mensch hat seinen eigenen freien Willen und kann selbst entscheiden, welchen Weg er oder sie im Leben gehen möchte. In Gedenken an alle Opfer rechter Gewalt“. Nils Oskamp